Kulturgeschichtliche Vorbemerkung.

Die Geburtsstunde des Alpinismus im Abendland kann mit der Periode Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts angesetzt werden. Es sind Jahrzehnte, in denen kulturgeschichtlich die Aufklärung in allen Bereichen zum Tragen kommt. Das mittelalterliche, stark christlich geprägte Weltbild kommt ins Wanken und es fallen viele ethischen Tabus: Nicht mehr Gott, sondern der Mensch wird im Mittelpunkt gerückt, er wird mündiger und freier, er kann hemmungslos die Entdeckung der Welt angehen, er wird zum „Maître et possesseur de la nature“ (Meister und Besitzer der Natur) wie es schon Descartes vorausgesehen hatte.  Klar, dass auch der Ortler, der höchste Berg Tirols und der damaligen Monarchie, in jenen Jahren zum Interessensobjekt wurde.  Bedenklich ist eigentlich die teilweise Vergegenständlichung und Entzauberung  der Berge, die heute oft nur mehr als Sportgeräte gesehen werden... obwohl sie für uns eine "heile" Offenbarungsstätte des Wesenhaften sein könnten       
 Siehe auch Berggedanken 

Die Erstbesteigung des Ortlers
Bis 1804 ragte der König der Ostalpen unbezwungen in die Lüfte, ehe dann, am 27. September erstmals ein Mensch auf seinem Gipfel stand: Es war der mutige Gämsjäger Josef Pichler, „Pseyrer Josele“ genannt. Den Anstoß zur Erstbesteigung gab Erzherzog Johann, ein bergbegeisterter Adeliger Österreichs, der, wie eigentlich unzählig viele Menschen, vom Anblick des Ortlers am Reschen so bezaubert wurde, dass er den Auftrag erteilte eine Route über diesen imposanten, eisigen Riesendom zu finden. Beauftragt wurde der „Bergoffizier“ und Topograph Dr.J.A.Gebhard, der gleich mit zwei Zillertaler Jägern begann einen möglichen Aufstieg zu erkunden: Sie scheiterten aber immer wieder an den anspruchsvollsten Stellen.
Am 26. September 1804 dann stellte sich ihm ein kleines Männlein vor, das sich anbot eine Ersteigung zu versuchen: Es war Josef Pichler, ein mutiger Gämsjäger, der in der Churburg in Schluderns seinen Dienst ausübte. Für sein Vorhaben wählte er die eisfreie Nordwestflanke der „Hinteren Wandeln“ von Trafoi aus, eine sehr schwierige Route die heute nicht mehr begangen wird. Ohne Seil und Pickel, nur mit Holzstangen, erreichte er am 27. September mit zwei Begleitern den Gipfel!  Ein Jahr danach eröffnete Josef Pichler eine neue Route zum Gipfel, diesmal von Sulden ausgehend: Es war der erste Aufstieg über den heute so vielbegangenen Hintergrat. Insgesamt fünf Mal stand das Pseyrer Josele auf dem Ortler-Gipfel, das letzte Mal als Siebzigjähriger mit dem Bergpionier und Pfarrer Thurwieser.

Einige Etappen
im Ortlergebiet


1804 Erstbesteigung des Ortlers durch Josef Pichler, vulgo Pseyrer Josele
1825 Bau der Stilfserjochstraße
1854 Erstbesteigung der Königsspitze  durch S.Steinberger
1865 Erster Ortler Aufstieg über den Tabarettakamm, den heutigen "Normalweg" durch H.Pinggera u. V.Reinstadler
1865-1868 Julius Payer führt seine kartographischen Aufnahmen des Ortlergebietes durch, besteigt mit Johann Pinggera 50 Gipfel mit zahlreichen Erstbegehungen 

1875 Bau der Payer Hütte durch die Sektion Prag des D.Ö.A.V und der Schaubachhütte durch die Sektion Wien des ÖAV
1892 Bau der Hintergrathütte und der Fahrstraße nach Sulden
1895 Bau der Düsseldorfer Hütte
1922 Bau der Casati Hütte
1931 Erstbegehung der Ortler Nordwand durch Hans Ertl und Franz Schmid